Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass ich ein großer Fan von Christo und Jeanne-Claude bin. Und das schon lange bevor sie 1995 hierzulande einen riesigen Erfolg mit der Verhüllung des Reichstags in Berlin hatten. Da ist es nur allzu verständlich, dass ich mir unbedingt die Verhüllung des Arc de Triomphe im September/Oktober 2021 in Paris anschauen wollte.
Inhaltsverzeichnis
Christo & Jeanne-Claude — Rückblick
Wir schreiben das Jahr 1961. Der am 13. Juni 1935 in Bulgarien geborene Künstler Christo Wladimirow Jawaschew lebt in Paris in einem winzigen Zimmer. Von seinem Zimmer kann er den Arc de Triomphe sehen.
Schon damals fasste er den Entschluss eines Tages den Pariser Triumphbogen zu verhüllen.
Seine Frau Jeanne-Claude, die übrigens an exakt demselben Tag wie Christo geboren wurde, lernte er in Paris kennen nachdem er ihre Mutter porträtiert hatte. Sie heiraten im November 1962.
Bereits ab 1958 beginnt Christo quasi alles zu verpacken, was ihm unter die Finger kommt. Dazu gehören Flaschen, Dosen Stühle, Zeitschriftenstapel, auch mal eine nackte Frau (1962) oder ein Volkswagen (1963, Galerie Schmela, Düsseldorf). Dabei geht es ihm immer darum existierenden Dingen eine andere, neue Wahrnehmung zu verschaffen.
Christo und Jeanne-Claude — Projekte
1964 ziehen Christo und Jeanne-Claude nach New York. Zu dieser Zeit entstehen die Store Fronts, maßstabgetreue Ladenfronten, deren Fenster Christo mit Stoffen oder Papier verhängt und somit den Blick ins Innere versperrt. (zB Galerie Friedrich in München).
Obwohl Christo und Jeanne-Claude von Anfang an eng zusammen arbeiten und die Projekte gemeinsam entwerfen, beschließen sie erst 1994 fortan offiziell unter dem Namen „Christo and Jeanne-Claude“ zu firmieren.
Ihr erstes gemeinsames Werk waren aber bereits 1961 gestapelte Ölfässer und Verhüllungen im Kölner Hafen (Stacked Oil Barrels and Dockside Packages), dicht gefolgt vom „Eisernen Vorhang“ in Paris (1961 — 1962), einer Mauer aus Ölfässern, die die Durchfahrt in der Rue Visconti versperrte. Diese nicht genehmigte Aktion war Christos Reaktion auf den Bau der Berliner Mauer.
Christo und Jeanne-Claude wurden 3 mal zur documenta in Kassel eingeladen — documenta 4 / 1968, documenta 5 / 1972 und documenta 6 / 1977.
Im Laufe der Zeit erreichten ihre Projekte andere Dimensionen.
Die meisten Installationen existierten nach Fertigstellung für lediglich zwei Wochen. Danach wurden sie wieder abgebaut und umweltfreundlich entsorgt.
Einige ihrer spektakulärsten Werke — spektakulär sind sie eigentlich alle — sind:
- 1969 „Wrapped Coast“ — Verhüllung eines Küstenstreifens in der Nähe von Sydney, Australien
- 1976 “Running Fence” — September 1976, Kalifornien. Mittels 2050 Stahlpfosten und Stahlseilen wurde ein 5,5 m hoher Zaun mit Stoffbahnen aus Nylongewebe auf einer Länge von 39,5 km durch die kalifornische Landschaft errichtet. Es hatte im Vorfeld Probleme mit den Genehmigungen gegeben. Da Christo und Jeanne-Claude keine Genehmigung für die Küstenregion hatten, mussten sie 60.000 US-Dollar Bußgeld zahlen.
- 1983 “Surrounded Islands” — Miami, pinkfarbener Polypropylen-Stoff umgeben 11 Inseln in der Biscayne Bay zwischen Miami, North Miami und Miami Beach.
- 1985 “The Pont Neuf Wrapped“, Paris, August/September 1985. Verhüllung der ältesten Pariser Brücke mit 40.000 m² sandfarbenem Polyamidgewebe. Die Brücke leuchtete besonders schön goldfarben in der Abendsonne.
Auf die Genehmigung für die Verhüllung der Pont Neuf mussten Christo und Jeanne-Claude über 20 Jahre warten.
- 1991: “The Umbrellas, Japan-USA” — 1.340 große blaue Schirme in einem Tal in Ibaraki, Japan und 1.760 große gelbe Schirme in einem Tal in Kalifornien. 1880 Helfer. Kosten 26 Millionen Dollar.
- 1995: “Wrapped Reichstag“ Verhüllter Reichstag Berlin, Sommer 1995, Planung seit 1971! Gegner des Projektes waren u.a. Helmut Kohl und Wolfgang Schäuble. Bei der finalen Abstimmung im Deutschen Bundestag am 25. Februar 1994 stimmten 292 dafür und 223 dagegen. Das mit einer Aluminiumschicht überzogene, silbrig glänzende, feuerfeste Polypropylengewebe wurde von der Firma Schilgen in Emsdetten hergestellt. Das gleiche Material wurde auch später u.a. für The Gates, The Foating Piers und die Verhüllung des Arc de Triomphe eingesetzt.
- 1999: Die Mauer, 13.000 Ölfässer, Gasometer Oberhausen
- 2005: “The Gates” — Februar 2005; auf einer Länge von 37km standen 7.503 Metalltore mit im Wind wehenden orangefarbenen Stoffbahnen auf den Wegen des Central Park New York. Projektkosten 21 Millionen Dollar.
- 2013: Big Air Package / Großes Luftpaket, Installation im Gasometer Oberhausen
- 2016 „The Floating Piers“ Juni 2016. Mit Orange leuchtenden Stoffbahnen verhüllte Stege zwischen dem Festland und den Inseln Monte Isola und Isola di San Paolo auf dem Lago d’Iseo (Iseosee) in Italien. Wegen Unwetter und dem unerwartet hohen Besucherandrang war die Installation zwischen Mitternacht und dem frühen Morgen zu Reparaturen und Reinigung geschlossen. Ich war selbst vor Ort und habe die entspannte Stimmung bei strahlendem Sonnenschein genossen. Erstes Großprojekt ohne Christos 2009 verstorbene Frau Jeanne-Claude. Geschätzte Besucher 1,3 Millionen. Kosten 19,5 Millionen Dollar.
- 2018: The London Mastaba, London, 18. Juni bis 23. September 2018. Die London Mastaba ist quasi ein Vorläufer der seit 1977 von Christo und Jeanne-Claude geplanten Mastaba in Abu Dhabi — die Mastaba ist ein Grabbau in der altägyptischen Kultur. Im Londoner Hyde Park wurden dafür 7506 Ölfässer in Form einer Mastaba aufgeschichtet.
- 2021: L’Arc de Triomphe, Wrapped, Paris
Entstehung der Christo-Projekte
So gut wie alle der spektakulären Christo-Projekte haben eine langjährige und vor allem bewegte und langwierige Planungsphase hinter sich. Zum Einen sind es die künstlerischen Entwürfe, Skizzen, Zeichnungen und Kollagen, zum Anderen ist es der Kampf um die Genehmigungen das Projekt zu realisieren.
Immer wieder gibt es im Vorfeld massiven, teils juristischen, Ärger. Heftige Widerstände kommen von Umweltaktivisten, Landbesitzern, Politikern, lokalen, regionalen oder nationalen Verwaltungen oder Regierungen.
Wer bezahlt die Verhüllung des Arc de Triomphe?
Sämtliche Kunstprojekte von Christo werden komplett durch ihn selbst finanziert. Sponsorengelder oder Spenden sind für ihn tabu. Dabei sprechen wir von Riesensummen, d.h. Millionenbeträge im mittlerweile dreistelligen Bereich.
Für all seine Kunstprojekte entstehen Entwürfe, Ideenskizzen, Zeichnungen und Kollagen. Sie spiegeln die Entwicklung der Projekte. So entstanden zB die ersten Skizzen für die Verhüllung des Arc de Triomphe bereits in den 60er Jahren in Paris. Durch den Verkauf dieser Werke und den davon gefertigten Drucken, durch den Verkauf von früheren verpackten Objekten und Kollagen und den Verkauf von Fotorechten werden die nötigen Gelder für die aufwendigen Großprojekte erwirtschaftet.Kosten für die Verhüllung der Triumphbogens lagen bei ca 14 Millionen Euro.
2021: Verhüllung des Arc de Triomphe in Paris
Im April 2020 sollte endlich die bereits vor 60 Jahren erträumte Verhüllung des Pariser Arc de Triomphe wahr werden. Doch dann wurde die Verhüllung auf den Herbst 2020 verschoben. Grund war der Naturschutz für die am Triumphbogen nistenden Falken. Christo selbst sollte die Verhüllung aber nicht mehr erleben. Er verstarb am 31. Mai 2020. Der Plan aber blieb bestehen.
Dann kam Covid-19 und warf erneut alles über den Haufen.
Im Spätsommer 2021, vom 18. September bis 3. Oktober — nach zweimonatigen Installationsarbeiten — war es dann endlich soweit:
„L’Arc de Triomphe, Wrapped“.
Unter der Leitung von Christos Neffen Wladimir Jawaschew, der zuvor schon jahrzehntelang als Christos Assistent tätig war, wurde die komplette Verhüllung des Triumphbogens mit 25.000 qm recyclebaren silber-blauen Kunststoffplanen umgesetzt. Zusammengehalten wird alles von 3.000 Metern roten Tauen.
Der in Deutschland hergestellte Stoff ist außen silbrig-grau, wobei die blaue Innenseite durchschimmert.
Ich ließ es mir nicht nehmen und habe auch noch die Treppe auf die Dachterrasse des Triumphbogens genommen. Auch hier oben war alles komplett mit der silbrig glänzenden Kunststoffplane bedeckt. Wie auch schon damals im New Yorker Central Park (The Gates), beim verhüllten Berliner Reichstag oder auf den Floating Piers auf dem Iseosee fand ich es auch diesmal wieder ein unvergessliches Erlebnis.
Weitere Beiträge zu Christo und Jeanne-Claude
The Floating Piers auf dem Lago d’Iseo
Christo und Jeanne-Claude — Ausstellung im Palais Populaire, Berlin
Mein Kunstmuseum-Tipp für Paris
Wärmstens empfehlen kann ich das Kunstmuseum Fondation Louis Vuitton
Lieber Peter,
hach, für Christo wäre ich auch gern nach Paris gereist! Es hat leider nicht geklappt. Umso schöner, dass du mich mit deinem Bericht und den tollen Fotos mitgenommen hast. Vielen Dank dafür!
Liebe Grüße
Elke
Hallo Peter,
toll. Vielen Dank, dass Du mich zumindest ein kleines Stück mit ins Leben und Wirken des Künstlers genommen hast. Diese Verhüllungen und vor allem aber auch die Höhe der dafür eingesetzten Gelder sind wirklich beeindruckend.
Lg Sandra