Ai Weiwei – Evidence
im Martin Gropius Bau, Berlin.
Ai Weiweis Werkschau fand 2014 im Berliner Martin Gropius Bau statt.
In insgesamt 18 Räumen und im Lichthof wurden seine Exponate ausgestellt.
Analog zu seinem Atelier in Peking wurde der Besucher vor dem Martin Gropius Bau von einem Fahrrad mit frischen Blumen begrüßt…
Ai Weiwei arbeitet mit 20 Mitarbeitern und lebt mit seinen 30 Katzen am Rande von Peking. Sein Wohnungs-Atelier wird rund um die Uhr abgehört und die Umgebung durch 17 Kameras überwacht – diese sind im Entree als stumme Anklage aus Marmor nachgestaltet.
Der für sein Regime unbequeme Konzept-Künstler Ai Weiwei gehört zweifelsohne zu den großen unserer Zeit. Besonders populär ist er in Deutschland. Entsprechend ist die hiesige Medienpräsenz.
Das will man offensichtlich in China selbst nicht wahrhaben. Zumindest tut man alles um dem entgegenzuwirken.
Ausstellungen in China sind dem Künstler untersagt. Man kann nur spekulieren, warum es trotzdem gestattet wurde seine Kunstwerke nach Deutschland zu verschiffen. Laut dem Direktor des Martin Gropius Baus Gereon Sievernich, der jetzt zum ersten Mal im eigenen Haus eine Ausstellung kuratiert hat, glaubt das Regime offensichtlich China nach wie vor so weit abschotten zu können, dass nichts davon im Land selbst bekannt wird.
Mir fällt es schwer zu glauben, dass das Regime so naiv sein soll.
Ai Weiweis Exponate haben Bezüge zu politischen Ereignissen im eigenen Land oder einen Bezug zu seiner Person und seiner Situation.
Oft werden sie verfremdet oder überzeichnet dargestellt.
Nur allzu gerne legt er den Zeigefinger in offene Wunden und prangert Missstände an oder den kulturellen Verfall der Werte.
In nordchinesischen Dörfern wurden über 6000 alte Holzschemel aus der Ming- und der Qing-Dynastie sowie aus der Zeit der Republik China gesammelt. Heute werden sie beim Umzug in die Städte oft einfach weggeschmissen und durch billige Plastikstühle ersetzt. So gehen die alten Werte und kulturelle Identität verloren.
Durch das Aufreihen der Hocker in dem Lichthof des Martin Gropius Bau entsteht ein eindrucksvolles Mahnmal.
Ähnlich beeindruckend fand ich im Jahre 2009 seine Arbeit Soft Ground im Münchner Haus der Kunst, als die Marmor-Quader einer riesigen Fläche des Bodens mit identischen Teppichquadern nachgebildet bzw. bedeckt wurden.
Ai Weiwei wurde im Jahr 2011 festgenommen und 81 Tage an einem geheimen Ort gefangen gehalten.
Ohne Angabe von Gründen, ohne Anklage.
Dann wurde er – auch wieder ohne Begründung — freigelassen.
Er verarbeitet dies indem er seine Zelle ursprünglich als kleines Modell und jetzt in Originalgröße nachgebaut hat.
Hier lebte er mit 24 Stunden Beleuchtung und ständig von 2 Bewachern umgeben. Bei seinen über 50 Verhören war er mit Handschellen an einen Stuhl gefesselt. Die Handschellen (2013) wiederum hat er in Jade nachbilden lassen, die von ihm erbetenen Kleiderbügel (2013) – ursprünglich aus Plastik – gibt es bei ihm in versilberter Fassung zu sehen.
Der Willkür des Staates setzt er mit Souvenir from Shanghai ein Denkmal. Die Behörden hatten ihm 2008 angeboten ein Atelier zu errichten. Nach der Fertigstellung 2010 änderten sie wegen seiner zunehmenden, offenen Kritik an der Regierung ihre Meinung und kündigten die Zerstörung an. Im Januar 2011 wurde dann das Atelier ohne weitere Vorwarnung zerstört.
Das Werk besteht aus Schuttresten, die er „retten“ konnte.
Nicht zuletzt durch seine Hilfe und Unterstützung von anderen Menschen wurde er zum Staatsfeind.
Für diese Arbeit verwendete Ai Weiwei 150 Fahrräder der Marke »Forever«, einer der in China am weitesten verbreiteten Fahrradmarken. So erinnerte er an Yang Jia, einen jungen Mann aus Beijing, dessen Mordprozess in ganz China Aufsehen erregt hatte. Yang war, da er angeblich ein nicht registriertes Fahrrad gefahren hatte (welches aber geliehen war), rechtswidrig festgenommen und während seiner Haft schwer misshandelt worden. Nach erfolglosen Appellen an die Rechtsprechung klagte man ihn des Mordes an sechs Polizeibeamten aus Shanghai an. Nach mehreren unfairen Gerichtsverfahren befand man ihn des Mordes für schuldig und verurteilte ihn zum Tod (Pressetext)
Man lernt in dieser Ausstellung viel über China, auch durch scheinbar unbedeutende Exponate, wenn man die Hintergrundgeschichte dazu hört, zB Taxi Window Crank / Taxifensterkurbel (2012).
In einem begleitenden Video erfährt man, dass die Regierung vor den Kongressen der Nationalen Volksparteien angeordnet hatte aus den Taxis die Fensterkurbeln zu entfernen, um zu verhindern, dass Fahrgäste Flugblätter aus den geöffneten Fenstern warfen…
Die Arbeit One Man Shoe / Einmannschuh aus seiner New York Zeit aus dem Jahre 1987 zeigt den Einfluß von Marcel Duchamp.
Die Ausstellung lief bis zum 13. Juli 2014 in Berlin, Martin Gropius Bau.