Favela Tour Rocinha: Kann man diese Art von Tourismus unterstützen, indem man an einer Favela Tour teilnimmt oder fällt das unter Voyeurismus? Ich bin unsicher…
Favela Tour Rocinha
Ich mache mir gerne selbst ein Bild, um mitreden zu können. Wie ich finde, gibt es an einer Favela Tour mit einem lokalen Führer, der dort aufgewachsen ist, nichts auszusetzen.
Man bekommt einen guten Überblick und interessante Eindrücke vermittelt.
Ich persönlich fand meine Favela Tour allerdings nicht so spannend. Das hängt aber sicher damit zusammen, dass ich bereits vorher ein paar Tage in einer anderen Favela, der Favela Vidigal (siehe eigener Bericht) gewohnt hatte.
Favela ist eigentlich der Name einer Kletterpflanze.…
Im Jahr 1897 bauten ein paar arme Leute in Rio ihre Behausungen an einen Hang auf einem Hügel. Dieser Hügel trug den Namen einer Kletterpflanze Morro de Favela.
Die Siedlung hieß entsprechend „Favela“.
Da sich später weitere Siedlungen ärmerer Leute an den Hügeln wie Kletterpflanzen am Berg ausbreiteten, steht heute der Name Favela im Portugiesischen als Synonym für „Armenviertel“, „Slum“ oder „Elendsviertel“.
Die Ärmsten der Armen nahmen zum Bau ihrer Behausungen alle Materialien derer sie habhaft werden konnten: von Pappkartons über Kisten und Brettern bis zu Palmzweigen oder Wellblechteilen. Nach und nach wurden die Häuschen immer mehr verbessert.
Da die Stadt keine Stromleitungen hierher verlegt, werden Nachbargemeinden mit gefährlichen Kabelkonstruktionen angezapft.
Wasser gibt es nur an öffentlichen Wasserstellen.
Da das Land ursprünglich illegal in Besitz genommen wurde, haben die Bewohner folglich auch keine Besitzansprüche.
Ich mache eine Tour durch die Favela Rocinha.
Sie erstreckt sich über einen steilen Berghang im südlichen Teil der Stadt, etwa einen Kilometer vom Strand entfernt und ist sicher die größte und bekannteste in Rio de Janeiro.
Bekannt, ja sogar berühmt ist die Favela zum einen wegen der Lage in unmittelbarer Nähe zu den weltberühmten Stränden von Ipanema und Copacabana, zum anderen wegen der zahlreichen Machtkämpfe unter den Drogenkartellen.
Wieviele Menschen dort wohnen ist letztlich nicht geklärt – die Zahlen schwanken zwischen 200.000 bis sogar 400.000, je nachdem, ob die Zahlen von offizieller Seite oder von den Bewohnern selbst kommen.
Was die Größe betrifft, gibt es inzwischen andere, größere Favelas. Diese sind so eng zusammengewachsen, dass sie wie eine einzige Favela erscheinen. So ist zB der Complexos do Alemão zwei bis dreimal so groß wie Rocinha.
Zahlen schwanken zwischen 200.000 bis sogar 400.000, je nachdem, ob die Zahlen von offizieller Seite oder von den Bewohnern selbst kommen.
Was die Größe betrifft, gibt es inzwischen andere, größere Favelas. Diese sind so eng zusammengewachsen, dass sie wie eine einzige Favela erscheinen. So ist zB der Complexos do Alemão zwei bis dreimal so groß wie Rocinha.
Sanierung der Favelas…
In den letzten Jahrzehnten wurde verstärkt auf die Sanierung der Favelas gesetzt.
In diesem Zusammenhang wurde Rocinha 1992 als erste Favela zum Barrio, einem offiziellen Stadtteil Rios, erklärt.
Obwohl auch die Besitzverhältnisse in den meisten Fällen legalisiert sind, wird Rocinha aber immer noch als Favela bezeichnet.
Besonders im Vorfeld der Fussball WM 2014 und der Olympiade 2016 wurden die Favelas systematisch durch das Militär und die Polizei von kriminellen Elementen „gesäubert“. Vor Ort wurden Polizeistellen eingerichtet und die Staatsmacht ist allgegenwärtig. Da die Einwohner der Meinung sind sie könnten alles besser untereinander regeln sind diese Polizisten äußerst unbeliebt.
Tatsache ist wohl, dass auch zu Zeiten der Drogenkartelle strikte Reglements herrschten.
Auf mich wirkt Rocinha wie ein ganz normaler Stadtteil, mit jeder Art von Geschäften, Handwerksbetrieben, Restaurants und Straßen. Es gibt sowohl Kirche als auch Schulen und Sportanlage. Auch ist das Barrio an das öffentliche Busnetz angeschlossen.
Natürlich ist hier vieles einfacher, ärmlicher und scheinbar ungeordneter. Aber vieles wiederum klappt erstaunlich gut. So zB die Postzustellung: da es in dem Gewirr der winzigen Durchgänge weder Straßennamen noch Hausnummern gibt, stehen an markanten Stellen große Körbe in denen der Briefträger die Post ablädt. Hier schaut dann jeder regelmäßig nach seiner Post.
Im Gewirr der Wohnungen und Gassen kann man sich leicht verlaufen. In diesem Fall sind die Bewohner hilfsbereit zur Stelle.
Natürlich sind die Drogengangs in Rocinha nicht gänzlich verschwunden. So wurden an Weihnachten 2015 Polizisten mit Steinen beworfen und es kam zu einer Schießerei. Unmittelbar vorher wurde dort bei einem Streit ein Mann erschossen.
Ich persönlich habe mich weder in Rocinha noch in der Favela Vidigal, wo ich ein paar Tage gewohnt habe, unsicher gefühlt.
Favela Tour Rocinha — Info
Es gibt verschiedene Touranbieter:
Ich habe die Tour von DJ Zezinho gemacht. Ihn selbst trifft man aber erst am Ende der Tour: Der Amerikaner wirkt etwas kauzig, liebt Katzen und unterstützt auch soziale Projekte.
3 Stunden, Ca 60 RS = ca 13 €
Mein irischer Leser Ronan Donohoe empfiehlt:
I highly recommend Vidigal HANG OUT for anyone wanting an authentic favella tour!
Hallo Peter, wie sieht es mit der Sicherheit in Brasilien aus? Kann ich als alleinreisende Frau sicher reisen oder wäre es empfehlenswert mir Reisepartner zu organisieren. Ich wollte mir in Rio de Janeiro ein Auto mieten und in Richtung Salvador de Bahia fahren, was meinst du?
Liebe Grüße aus Berlin, Eva
Hallo Eva,
das wage ich nicht zu beantworten!
Ob mit oder ohne Auto: Ich hätte damit kein Problem, glaube auch nicht, dass es generell problematisch ist. Falls du dir aber nur im entferntesten unsicher bist, würde ich es nicht machen…
BG, Peter
“Da die Einwohner der Meinung sind sie könnten alles besser untereinander regeln sind diese Polizisten äußerst unbeliebt.” — das ist leider ein bisschen sehr einfach gefasst bzw. komplett falsch. Dass die Polizei in Brasilien besonders für die ärmeren Menschen selten der Freund und Helfer ist, bekräftigt eine kurze Internetrecherche zum Thema Polizeigewalt. Ich habe 2011 drei Monate in Rocinha gewohnt, zur Zeit als die Pazifizierung angekündigt wurde, aber noch nicht stattfand, und da es mich interessiert hat, habe ich Umfragen unter Freunden gemacht: ausnahmslos ALLE wollten eine Staatsmacht im Viertel. Aber eben eine Staatsmacht, der sie vertrauen können. Sie meinten, dass sie bei den Drogendealern wenigstens wissen, woran sie sind. Es gibt Gesetze, und wer sich daran hält, bekommt keine Probleme. Außerdem wird für Schutz gesorgt. Vergewaltigung und Überfälle gab es in Rocinha praktisch nicht. Jetzt, unter der Herrschaft der Polizei, ist dies leider keine Seltenheit und wird selten aufgeklärt. Ich wollte hier nicht klugscheißen, Peter, ich mag deinen Blog, aber dieser eine Satz klang ein wenig so, wie als wären die Bewohner lediglich zu dumm, sich für die richtige Seite zu entscheiden, doch die Sache ist leider erheblich komplizierter. Gute Reise, Gruß aus Belém.
Danke für Deine Erläuterung, Peter
Ich muss Peter da zustimmen — deine Aussage “Die Einwohner sind der Meinung sie könnten alles besser untereinander regeln” wirkt geradezu anmaßend, wenn man sich mal mit dem Thema Polizeigewalt in Brasilien und inbesondere in Rio auseinandergesetzt hat, Stichwort Korruption und die unzähligen Todesfälle von Unbeteiligten bei den Einsätzen der Polizei in Rio. Die Verwendung des Begriffs “Sanierung der Favelas” ist geradezu eine Ohrfeige, wenn man weiß, mit welchen Mitteln der künstliche “Frieden” in diesen Stadtteilen erzwungen wurde.
Generell finde ich deinen Bericht deshalb leider sehr oberflächlich und empfehle dir, dich eingehender mit der komplexen Thematik Favela zu befassen, bevor du solche Touren bedenkenlos empfiehlst — zumindest, wenn du anteaserst, das Thema in Bezug auf Voyeurismus oder authentische Einblicke zu betrachten, was du meiner Ansicht nach nicht getan hast.
Vielleicht bin ich da als Kultur- und Sozialanthropologin, die selbst zwei Monate in Rio gelebt hat, auch etwas überempfindlich, aber solche Beiträge gehen mir ziemlich gegen den Strich..
Liebe Grüße,
Ela
Sorry, ich meinte natürlich Kay zustimmen 😉
Du wiederholst quasi, was Kay bereits geschrieben hat.
Ich bin aber überzeugt, dass meine Leser, genauso gut wie ich, grundsätzlich wissen, was für Zustände in Brasilien herrschen. Dies geht schließlich permanent auch durch die deutsche Presse. Umso mehr sollte man sich also von Bewohnern, die dort aufgewachsen sind und auch noch wohnen die Situation vor Ort erklären lassen. Und darum ging es mir!